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Bieresel

Diese Kobolde in dem Bierkeller führen uns zu jenem wunderbaren Biergespenste, welches in den Bierkellern zu Hause ist, dem sogenannten Bieresel.

Heimisch war derselbe sonst in Ruhla in Thüringen. Es war ein Gespenst in Gestalt eines großen Esels, bald drei- bald vierbeinig, der des Nachts in der zwölften Stunde in Orte herumschlich und den Männern, welche erst aus dem Wirtshause heim gingen, aufhockte und sich von ihnen eine Strecke, gewöhnlich bis an ihre Hausthüre, tragen ließ. Dann sprang das Gespenst herunter und war nicht mehr zu sehen, andern Leuten that es nichts, war nicht einmal sichtbar.

Bei Schwednitz in der Nähe von Altenburg liegt die sogenannte Katzenmühle. Auf der Anhöhe oberhalb der Mühle hielt sich früher ein Bieresel auf, der kam alle Abende in die Mühle, wo ihm ein bestimmtes Maaß Bier hingestellt werden mußte, welches er austrank. Nun übernachtete einmal in der Mühle ein Bärenführer mit seinem Bären, und als der Bieresel ankommt, und bald auf den, bald auf jenem springt, machen sich diese über ihn her und zerzausen ihn gewaltig, so daß er nur mit genauer Mühe davon kommt. Da ist er nicht wieder gekommen, als er aber am anderen Tage den Müller von der Höhe herab sah, fragte es ihn: „ Müller hast Du Deine bösen Katzen noch?“ und davon bekam diese Mühle den Namen Katzenmühle.

…Zu Steinbach in Thüringen, hinter dem Wirthshause am Wassergraben, geht er auch um. Einst kam ein gewisser Popo Johann Andreas, der ziemlich lange im Wirthshause gesessen und tüchtig gepicht hatte, auf den Gedanken, es sei Zeit, nach Hause zu gehen, kaum war er aber zur Thüre heraus, da sprang ihm der Bieresel auf den Rücken, und er wurde ihn nicht eher los, als bis er auf der sogenannten Kälberzahl, einer Gasse, wo er wohnte, angelangt war. Darüber war er aber so erschrocken, daß er bald nachher starb.

…In Grimma im Königreich Sachsen ist er auch zu Hause. Geht man hier zum Papischen Thore heraus und wendet sich statt nach dem Kirchhofe zu gehen, rechts, so stehen da eine Anzahl Scheunen mit der Rückseite an einen hohen Berg gelehnt. Eine davon enthält einen Keller, der in diesen Berg führt, da wohnt er. In der Nacht leidet er Niemanden darin, ja er kommt zuweilen heraus und erschreckt die Vorübergehenden.

…Im Dorfe Grochwitz bei Torgau wohnt er auch in einem Keller. Dort macht er sich aber nützlich, er schafft Bier ins Haus, spült die Flaschen und Gläser aus, wäscht die Tische ab. Dafür aber muß man ihm des Nachts einen Krug Bier hinsetzen, sonst wird er ärgerlich und zerschlägt Alles.

Im Preußischen Voigtlande, wo sein Name als Schimpfwort gilt, wohnt er in alten Gemäuern, in Häusern von Geizhälsen und in Wirthshäusern. Er besucht in Menschengestalt die Kneipen, setzt sich unter die Gäste und trinkt ihnen das Bier aus, thut Niemanden etwas zu Leibe, wenn man ihn nicht neckt, und geht ruhig wieder fort, blos den spät nach Hause zurückkehrenden Säfern hockt er auf.

Aus dem Buch:Bierstudien“ v. Theodor Grässe, Dresden 1872